So lautet der Titel des Erfahrungsbericht des ehemaligen Ortsbürgermeisters von Tröglitz, Markus Nierth, den er im September 2016 gemeinsam mit der Journalistin Juliane Streich veröffentlicht hat.
In der beschaulichen Gemeinde Tröglitz in Sachsen-Anhalt war Nierth, ein evangelischer Theologe von 2009 bis 2015 ehrenamtlicher Bürgermeister. Als in dem Ort 70 Geflüchtete untergebracht werden sollten, wurden er und seine Familie zur Zielscheibe der Nazis. Die NPD hatte die Besorgnis der Bewohner instrumentalisiert, der Mob erklärte Nierth zum Objekt der Wut. Als ein Aufmarsch zu seinem Privathaus ankündigt war, trat Nierth zurück. Die Behörden hatten den Schutz des Bürgermeisters und seiner Familie nicht gewährleistet. Die „gemäßigten“ Tröglitzer duckten sich weg. Sie ließen die Nazis und ihre Mitläufer ohne den geringsten Widerspruch gewähren. Nierth wurde von allen Seiten „hängen“ gelassen. Sein Rücktrtitt erregte bundesweit Aufsehen. Der Fall schaffte es selbst in die internationale Presse.
Nierth erzählt die ganze Geschichte, von den Einwohnern von Tröglitz, mit denen er jahrelang in gutem Einvernehmen gelebt hat, zugewandt und mit Fairness gegenüber Behörden und Politik. Er berichtet von den Tröglitzern, die sich mit ihm gemeinsam um die Geflüchtetenfamilien kümmern. Den wenigen, die nach Tröglitz kamen, nachdem die geplante Unterkunft niedergebrannt worden war. Er versucht Ursachen zu finden, warum gerade in Tröglitz die Parolen der NPD auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Er vergleicht mit anderen Gemeinden, in denen ähnliche Befüchtungen und Auseinandersetzungen wegen der Unterbringung von Geflüchteten ausgetragen wurden. Dort griff die Nazipropaganda nicht wie in Tröglitz. Dennoch: „Tröglitz ist überall“. Auch in Reutlingen trat ein Bezirksbürgermeister zurück sowie ein Pfarrer in Zorneding bei München. Hassmaills und Morddrohungen sind für viele haupt-und ehrenamtliche Politiker*innen und für Journalist*innen Teil ihres Alltags. Gerade hat Dunja Halali eine Hassmail veröffentlicht, in der ihr der Tod durch einen Lynchmob angedroht wird. Oft veröffentlichen Betroffene solche „Botschaften“ nicht, um ihnen keine Reichweite zu verschaffen. Es ist eine Stärke von Nierths Bericht, dass er nachvollziehbar macht wie sehr Betroffene unter Hass und Hetze leiden, wie sie insbesondere leiden, wenn sich kaum jemand offen an ihre Seite stellt. Das Verkennen der Gefahr der einzelne und die Gesellschaft ausgesetzt sind und fehlende Solidarität sind brandgefählich.
„Brandgefährlich“ ist ein Weckruf, gerichtet an Politik und Gesellschaft. Spannend wie ein Krimi, geprägt von Fairness und Empathie.
Brandgefährlich
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