Dokumente zur Tarifpolitik in der Metallindustrie 1918-2002

2009 erschien das dreibändige Werk zur Geschichte der Tarifpolitik der IG Metall und ihrer Vorgänger unter dem Titel „Anerkennung und Repression“. Herausgeber war der damalige Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, eingeleitet und bearbeitet wuren die Bände von Holger Gorr. 2003 war der Vorgängerband „In freier Verhandlung“ erschienen, der die Tarifpolitik der IG Metall in den Jahren 1945 bis 2002 behandelt. Sie finden die Bände in unserer Bibliothek – auch die Handexemlare von Peter Scherer, der das Projekt angeregt und begleitet hat.

Tarifverhandlungen sind keine „Rituale“, in denen die Kontrahenten – Gewerkschaften und Arbeitgeber – Prozentzahlen in den Raum rufen, am Ende wird ein Mittelwert gebildet, der dann zum „Ecklohn“ wird, das Ganze untermalt von roten Fahnen und Trillerpfeifen. Oft geht es um die nackte Existenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Ansprüche mit Arbeitskämpfen durchsetzen mussten und müssen. Sie mussten immer wieder Abwehrkämpfe führen gegen Lohnsenkungen und Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich. Die Kampfkraft der Gewerkschaften aber auch die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen entschieden über Sieg oder Niederlage.

— vor 100 Jahren

1923 während der Hyperinflation wurden Arbeitslöhne gezahlt nach Tarifen, die so schnell gar nicht nachverhandelt werden konnten wie die Inflation das Geld auffraß, selbst dann nicht, wenn die Verhandlungen im Abstand von drei Tagen stattfanden. Die Kaufkraft der Beschäftigten schmolz von Woche zu Woche wie Schnee in der Sonne. In den Arbeiterbezirken waren um die 80 Prozent der Schulkinder unterernährt und krank. Die Säuglingssterblichkeit hatte sich von 11,5 Prozent im Jahr 1922 auf auf 15 bis 16 Prouzent erhöht.
Den Vorschlägen zu einer Indizierung der Löhne einer Anpassung nach örtlichen oder regionalen Indices widersetzten sich die Arbeitgeber zunächst vehement. Sie konnten Geld in Sachwerte oder im Ausland anlegen. Erst auf dem Höhepunkt der Inflation ließen sie sich auf das Konzept der gleitenden Lohnskala ein. Selbst das genügte nicht, um die Einkommenssituation der Beschäftigten zu stabilisieren.
Damit einher ging ein Schwächung der Gewerkschaften, die große Koalition unter Beteiligung der Sozialdemokraten endete vorzeitig. In der Folge fiel die gesetzliche Absicherung des Achtstundetages. Die Arbeitgeber nutzten die Gunst der Stunde: Sie forderten Arbeitsverhältnisse auf Vorkriegsniveau, Lohnabbau und Arbeitszeitverlängerung.


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